Inhalt
- Erstellt:
- Zuletzt aktualisiert: 28. Juni 2025
- Katha
Schreibübung im Glas: „Inspiration aus dem Kaffeesud“
Vor einiger Zeit flatterte mir Petra Öllingers „Musenkuss“, ein vierzehntägiger Newsletter mit Schreibübungen und Blockadenhemmern, ins virtuelle Postkasterl. Und wenngleich ich die digitalen Impulse stets gern sehe, habe ich mich – zugegeben – doch selten aufraffen können, Frau Öllingers Anstöße zur buchstäblichen Kreativität zu beherzigen und mich an die Tasten zu setzen. Diesmal hingegen war es anders. Das Thema: Inspiration aus dem Kaffeesud.
Wenn Sie die Mokka-Variante gewählt haben, legen Sie nach dem Kaffeegenuss ein kleines Teller auf die Tasse und stellen Sie das Ganze auf den Kopf.
Ein, zwei Minuten warten, bis der Sud aus der Tasse auf das Teller geflossen sei, und die Tasse weggeben möge man. Ich befolge die Instruktionen strikt und setze mich vorfreudig an den Tisch zu einem ordentlich kaffeebesudelten Teller. Als ich wenig später meine Bad-Taste-Glückstasse aus Alaska anhebe, die große Ernüchterung: Er ist leer.
Der Teller.
Keinerlei „Muster“, kein „Fleck“, geschweige denn die angekündigten möglichen „Umrisse eines Landes“ für alle, die verreisen wollen. Ich bin enttäuscht und verzagt. Und frage mich: Warum bringe ich seit Wochen und Monaten keinen Buchstaben aufs Papier?
Ist meine Muse in Bildungskarenz? Oder küsst die Sau etwa gerade jemand anderen?
Und bin ich ob des Gedankens gerade tatsächlich eifersüchtig?
Über Perspektiven und ihren Wechsel
Nun, genau genommen muss ich revidieren. Nicht der Teller ist leer, sondern der Kaffeerest, der den Umfang meiner Tasse nachzeichnet: Auf dem Teller befindet sich ein leerer, hellbrauner Kreis.
Als ich darüber nachdenke, fällt es mir schlagartig wie riesige Schuppen von meinem inneren Auge: Mein Sud-Experiment hat sehr wohl ein Muster hervorgebracht. Ein ganz unmissverständliches noch dazu. Mein eigenes nämlich! Zu denken, „eh klar, dass mir das passiert“, und die Kehrseite der Beschissenheit der Dinge zu ignorieren.
Auch interessant:

Wer ist eigentlich Marcus Mumford, und wieso ist das wichtig? Was Songwriter sich vom Prinzip der Lautmalerei abschauen können – plus Lieblings-Anspieltipp.

Wer ist eigentlich Marcus Mumford, und wieso ist das wichtig? Was Songwriter sich vom Prinzip der Lautmalerei abschauen können – plus Lieblings-Anspieltipp.
Wipe the plate, äh… slate clean
Hätte eine andere Möglichkeit zur Auffassung des Resultats von meinem Kaffeesud-Experiment nicht lauten können, dass die Dinge durchaus rund laufen? Dass ein Kaffeesud-Kreis als Zukunftsweiser ein richtig gutes Zeichen ist?
Was will ich eigentlich mehr? Und weshalb sitze ich kaffeeschlürfend und "Sinn des Lebens"-googelnd vor einem (scheinbar) leeren Teller und warte darauf, dass er sich von selber füllt?
Danke, Bad-Taste-Alaska-Tasse. Danke, Kaffeesud. Und danke, Frau Öllinger! Für die Erkenntnis, dass nicht das Leben selbst, sondern mein innerer Kritiker das zynische Arschloch ist.
Schreibübung: Das Kaffeesud-Experiment
- Genieße einen Espresso. Hervorragend passt dazu mein heutiger Lieblings-Anspieltipp.
- Belasse einen letzten Rest samt Kaffeesud in der Tasse.
- Lege einen kleinen Teller verkehrt auf die Tasse und drehe das Ganze auf dem Kopf: Der Teller steht nun richtig herum auf dem Tisch, die Tasse verkehrt (mit Öffnung nach unten) darauf.
- Warte ein, zwei Minuten.
- Betrachte das Ergebnis. Was siehst du? Ein Muster? Einen dunklen Fleck? Einen Tunnel am Ende des Lichts?
Sinniere schriftlich über das, was sich dir auf dem Teller präsentiert.