Mumford und die
Onomatopoesie
Mumford
und die
Onomatopoesie

- Erstellt:
- Zuletzt aktualisiert: 28. Juni 2025
- Katha
So niederschmetternd die ausgesprochene Realität besagten Mädchens, schwarz auf weiß, für ihren Empfänger hätte sein müssen – sie blieb ohne Wirkung. Entschuldigend und hilflos dackelblickend (so stellte sie ihn sich zumindest vor) erwiderte, wenn auch einen Tick kleinlaut, der Verstoßene:
Ich weiß nicht, wer Marcus Mumford ist.
Na großartig, dachte das Mädchen, und erkannte das Ausmaß an Handlungsbedarf. Denn eines stand fest: Wer den Marcus nicht ehrte, war den Mumford nicht wert.
Wer das nicht glauben mochte, dem versprach sie Abhilfe. Weil sich über Geschmack bekanntlich streiten lässt, nicht aber über Qualität.
Über Geschmack lässt sich streiten. Und über Qualität?
Marcus Mumford schreibt Oden an die Innenwelt. Sie alle, jede einzelne von ihnen, könnte man als Argument für sich selbst auflisten. Zugegeben, es ist schwierig, aber noch lange keine Kunst, einen gelungenen Songtext zu verfassen. Wer mit Dur und Moll auf Du und Du ist, wird es außerdem zustande bringen, drei Akkorde aneinanderzureihen und eine hinreichend passable Gesangslinie darüber zu basteln. Fertig ist der Honigkuchenschmachzer.
Es ist schwierig, aber noch lange keine Kunst, einen gelungenen Songtext zu verfassen.
Überraschung: Viel mehr tut auch Marcus Mumford nicht. Weder bedient er sich besonders ausgefallener Harmonievariationen, noch weichen die Strukturen der Herzschmerz-Gassenhauer von der gewohnt-gewöhnlichen Strophen-Chorus-Strophen-Bridge-Chorus-Popnorm ab. Und die rhythmische Varietät lässt sich getrost als mäßig postulieren.
Was aber ist es dann, das die Herzen der Gehörgänge so vieler tatsächlich unter romantischer Verzweiflung begräbt, gnadenlos, wenn der Mann mit der sanften Raubein-Stimme singt, „Hold me still / Bury my heart next to yours“?
Ist es die Mumford-und-Söhne’sche Besetzung? Piano, Banjo, Akkordeon, Schlagwerk-Elemente samt eingängiger Polyphonie? Der britische Charme in seiner Zurückhaltung? Gewieft kombiniert mit Dreitagebart?
Mumford, der Lautmaler
Fehlanzeige! Alles schon gesehen. Die Wahrheit ist gleichzeitig der Grund, aus dem Instrumentalisten und Lounge-Chiller im Café del darüber kaum lächeln werden. Nicht einmal müde. Der Grund, aus dem die Konzertfachschülerin am Konservatorium sich von dieser Schlagzeile ab- und wieder ihrer Partitur zuwenden wird, ohne überhaupt den ersten Absatz gelesen zu haben. Der Grund, aus dem eine Songkomposition funktioniert (oder eben scheitert):
Weil die Musik im Sinne der Komposition, der tatsächlichen Abfolge von Noten, beim Zuhörer und der Zuhörerin genau jenes Gefühl auslöst, von dem der Text erzählt. Das gilt noch mehr für Lyrics, deren Narrativ zwischen den Zeilen steht.
Ähnlich der linguistischen Onomatopoesie oder Lautmalerei, welche Wörter meint, die ein Geräusch beschreiben und ebenso klingen: „bellen“, „rumpeln“ oder das „Schnipp-schnapp“ einer Schere.
Wörter werden zu Noten. So einfach ist das.
Wenn also nun die Mumford’sche Lyrik über die Sehnsucht nachdenkt, über Gott (und die Welt), über die Angst vor der Angst oder übers Nachdenken selbst, tut das gleichzeitig seine jeweilige Komposition. Dann ist sie begehrlich, schwerluftig, zurückhaltend. Und wir auch. Die Wörter werden zu Noten. So einfach ist das.
Wie sich Songwriter das Prinzip der Lautmalerei zunutze machen können
Wer – wie ich – ein Faible hat für Lyrics im Allgemeinen sowie Prozess und Resultat von deren Vertonung gleichermaßen, oder wer sich gar selbst im Liedermachen versucht, kennt das Sinnieren über musikalische wie sprachliche Hooks: Wenn du erst am Haken hängst, fragst du dich nun mal, wo der Haken ist.
Zum Weiterlesen:

Ist meine Muse in Bildungskarenz? Oder küsst die Sau etwa gerade jemand anderen? Über eine missglückte Schreibübung und eine umso wertvollere Erkenntnis. Plus: Lieblings-Anspieltipp!

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Der Trick:
Text und Musik müssen unabhängig voneinander das Gleiche auslösen.
Wenn du „schnipp-schnapp“ hörst, denkst du an eine Schere. Sie ahmt das Geräusch nach, das die Schere beim Schneiden macht.
Genau so kannst du das Songwriting angehen: Dein Text lautmalt deine Musik – und umgekehrt. Du schreibst über dein totes Haustier Karli? Sorg dafür, dass dein Text und deine Komposition unabhängig voneinander klingen wie das Gefühl, das du hast, wenn du an Karli denkst.
Wer den Songtext nicht ehrt,
sich um Mumford nicht schert.
In diesem Sinne adaptiere ich mein Statement oben und stelle richtig:
Wer den Songtext nicht ehrt, sich um Mumford nicht schert. Und/oder umgekehrt.
Songwriting Best Practice: Die Lautmalerei-Theorie
- Spiel dein Lied (instrumental).
- Dann lies deinen Text ohne Musik (laut vor).
- Spürst du dabei jeweils dasselbe?
Perfetto, Zeit für eine Schreibpause (oder den Durchbruch). - Nein? Dann heißt’s: weiterfeilen.
(Oder ein neues Hobby suchen.)